Die neue Normalität
Sind wir schon in der Verdrängungsphase?
Grillen mit Freunden: nur ein Luxus, der uns in Zeiten von Corona versagt bleibt.
Hmm, der kleine Psychologe in mir sucht nach Antworten.... Sind wir gerade in der Phase der Verdrängung? Nach der Phase Schock?
Versuchen sich nun viele, die Angst vor dem Virus irgendwie "schön" zu reden?
Anders kann ich mir nicht erklären, dass nun immer mehr "ist doch gar nicht so schlimm geworden, wie alle gedacht haben, nun kann man alles mal wieder normal wie vorher weitergehen. Und warum sollte gerade ich zurückstecken? Was ist schon dabei, wenn ich mich mal kurz mit der Familie treffe oder mit ein paar Freunden abhänge und das schöne Wetter zum Grillen nutze? und - ich trage ja nun sogar Maske beim Einkaufen und im Bus. Was denn noch?" aufkommt.
Widersprüchliche Zahlen, "Experten"-Meinungen von echten Experten und Aluhut-Trägern aller Couleur tragen noch zur täglichen Verunsicherung bei. Dazu kommen die immer stärker werdenden Rufe der Wirtschaft, vom Einzelkämpfer bis zur Großindustrie. Und ja, die sind berechtigt. Ewig kann man einen Lockdown nicht aufrechterhalten.
Da sind allerdings Aussagen eines Herrn Schäuble auch nicht gerade fördernd, der "die Rettung von Menschenleben als Vorrang nicht in dieser Absolutheit sieht".
Wie viele Menschenleben sind wir also bereit zu opfern, stellen sich wohl einige nun die Frage. Hintenrunter fallen die, die es betrifft: Die Familien, die gerade Angehörige durch, mit oder an Corona verloren haben, die Ärzte und Pfleger, die gerade alles versuchen, um die Zahl von derzeit inzwischen über 6000 möglichst wenig ansteigen zu lassen und das unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit und der ihrer Familie, die echten Experten, die sich zunehmend Spott und Drohungen ausgesetzt sehen, nur weil sie weiterhin vor dem Kollaps im Gesundheitssystem warnen und die Politiker, die langsam nicht mehr wissen, was sie noch machen sollen, um jeder Klientel und dem Wohl der Gesundheit gerecht zu werden. Täglich fordern neue Gruppen ihr Recht im Kampf ums Überleben. Verständlich, ich kann das durchaus nachvollziehen.
Und die Zahlen steigen wieder....
Was sind wir bereit, in Kauf zu nehmen? Einen neuen Shutdown, der spätestens dann zum Kollaps der Wirtschaft führt oder steigende Infektions- und damit zwangsweise auch steigende Todeszahlen?
Die "neue Normalität" ist der falsche Begriff. "Neu" stimmt noch. "Normal" ist schon seit Wochen nichts mehr. Alle Menschen leiden darunter - manche mehr, manche weniger, manche "nur" finanziell, andere "psychisch" und "physisch" und alles verbindet sich auch untereinander.
Eines hilft nur derzeit sicher nicht, sagt der gesunde Menschenverstand in mir: nämlich die Pandemie herunterzuspielen, reale und bewiesene Zahlen in Zweifel zu ziehen und den Kopf in den Sand zu stecken.
Corona wird uns so lange begleiten und weltweit viele Menschen in Trauer versetzen, bis es wirksame Mittel zur Bekämpfung gibt. Bis dahin heißt es für uns, Abstand halten, zuhause bleiben und weiterhin alles tun, was nötig ist, damit die Zahlen nicht exponentiell steigen. Der Blick auf die Weltkarte der WHO ist schon schlimm genug und einige Politiker in anderen Ländern, die für den Erhalt der Wirtschaft jede Menge Leben zu opfern bereit sind, sollten für uns abschreckendes Beispiel sein.
Wir haben - Gott sei Dank - inzwischen mehr Möglichkeiten in der Forschung und Entwicklung als noch vor hundert Jahren zu Zeiten der Spanischen Grippe, aber auch diese Einrichtungen brauchen Zeit. Wir haben auch - Gott sei Dank - in Deutschland ein relativ gutes Gesundheitssystem im Vergleich zu anderen Ländern, daher bislang verhältnismäßig "gute Zahlen".
Geduld und Disziplin hilft nun sicher mehr, als so manche Negierung. Die Phase der "Trauer" kommt noch schnell genug.
Aber dieser Bericht soll auch ein bisschen Hoffnung dalassen: Ja, es sind inzwischen sehr viele wieder genesen. Vielleicht können sie dazu beitragen, die Pandemie mit zu beenden. Hoffen wir, dass Antikörper sie schützen vor einer Neuansteckung und uns, in dem sie helfen, einen Impfstoff voranzubringen.